Die Bibel und ihre Übersetzung

Die christliche Bibel gilt als das am weitesten verbreitete und meistübersetzte Buch der Welt. Für die universale Verbreitung dieses Buches zeichnete in erster Linie die christliche Botschaft mit ihrem weltweiten Missionsauftrag verantwortlich.

Das Wort „Bibel“

Das Wort „Bibel“ stammt vom griechischen „biblion“ (Plural „biblia“), welches „Papyrusrolle“ bedeutet. Auch heutige gebundene Textausgaben beruhen auf antiken Papyri, die Teilstücke biblischer Schriften oder auch vollständige Texte enthalten. Obwohl keine Originalhandschriften mehr vorhanden sind, ist der Abstand zwischen Original und erhaltenen Abschriften geringer als bei vergleichbarem antiken Schriftgut.

Die Autoren der Bibel

In der Gesamtheit ihrer Texte ist die Bibel als Heilige Schrift die historische und dogmatische Grundlage des Christentums als einer Buchreligion. Dabei ist sie kein  Buch im eigentlichen Sinne, sondern eine Büchersammlung respektive Bibliothek von außerordentlich heterogenem Charakter. Die einzelnen Bücher der Bibel wurden in einem Zeitraum von weit über tausend Jahren von unterschiedlichen, oft nicht mehr identifizierbaren Autoren verfasst. Biblischen Autorenangaben ist mit Vorsicht zu begegnen. So wurden, um nur zwei Beispiele anzuführen, die ersten fünf Bücher der Bibel selbstverständlich nicht von Moses verfasst, und nach allgemein anerkannter Forschungslage haben sich bei einem Teil der Paulusbriefe, den so genannten Deuteropaulinen, anonyme Verfasser des Namens und damit der Autorität von Paulus bedient.

Inhalt der Bibel

Texte berichten, beginnend mit der Schöpfungsgeschichte, von der Geschichte des frühen Judentums, der Lebens- und Leidensgeschichte Jesu von Nazareth und den Anfängen der Verbreitung der christlichen Lehre durch seine Jünger.

Zu den vertretenen Literaturgattungen zählen Geschichtsschreibung, Gesetzestexte, Genealogien und Biografien, aber auch Mythen, Fabeln, Gedichte, Klage-, Fest- und Liebeslieder, Spruchweisheiten, Novellen und nicht zuletzt Briefe.

In der uns heute vorliegenden Form ist die Bibel Resultat eines jahrhundertelangen Kanonisierungsprozesses, der von kontroversen Auswahlentscheidungen und innerkirchlichen Lehrstreitigkeiten geprägt war. Das Wort „Kanon“ – zu übersetzen mit „Maßstab“, „Richtschnur“, „Regel“ – bezeichnet im kirchlichen Sprachgebrauch das Verzeichnis jener Schriften, welche von der Kirche als lehrverbindlich angesehen werden und damit innerhalb der jeweiligen Kirche normativen Charakter haben.

Die christliche Bibel umfasst grundsätzlich die folgenden Textgruppen: Das größtenteils hebräisch abgefasste Alten Testament und das überwiegend in Griechisch verfasste Neue Testament.

Die Hebräische Bibel wiederum teilt sich in drei große Gruppen: Gesetz (1. – 5. Buch Mose) , Propheten (Jesaja u.a.) und Schriften (Psalmen etc.)

Die Lutherbibel erkennt allerdings einige Schriften (u. a. Weisheit Salomos) nicht als kanonisch an.

Das Neue Testament enthält Geschichtsbücher (vier Evangelien, Apostelgeschichte), einen Briefkorpus (Paulus-Briefe u. a.) sowie die prophetische Offenbarung des Johannes („Apokalypse“).

Die Übersetzungen der Bibel

Wohl kaum ein anderes Buch dürfte so viele Übersetzungen erfahren haben wie die Bibel, beginnend um 100 v. Chr. mit der griechischen Übersetzung der jüdischen Bibel, der Legende nach das Werk von  „siebzig“ Übersetzern (so genannte „Septuaginta“) über die in der römisch-katholischen Kirche lange Zeit verbindliche lateinische „Vulgata“ des Hieronymus (ab 382) bis hin zu modernen, textkritisch fundierten Übersetzungen in nahezu alle wichtigen Sprachen der Welt.

Im germanischen Sprachraum fanden sich bereits seit dem 4. Jh. Teilübersetzungen auf gotischer, althochdeutscher und mittelhochdeutscher Sprachstufe. Die Übersetzung zunächst des Neuen, dann des Alten Testaments durch Martin Luther (1522/34) war nicht nur entscheidend für die  kirchenpolitische Durchsetzung des protestantischen Glaubens in Deutschland, sondern  auch für die überregionale Vereinheitlichung der neuhochdeutschen Sprache.

Der Einfluß der Bibel

Resultierend aus ihrem immanent literarischen Charakter hat die Bibel die Sprach- und Kulturgeschichte in Deutschland ebenso wie in anderen christlich geprägten Ländern entscheidend beeinflusst. Biblische Figuren und Themen von der Schöpfungsgeschichte bis zur Kreuzigung Jesu boten und bieten sich zur Nachdichtung und als Gegenstand philosophischer Reflexion an.

Eine unüberschaubare Fülle von Motiven und Zitaten findet sich in oft auch in verfremdeter Form im nichtreligiösen Kontext.

In der abendländischen Musikgeschichte finden sich ungezählte Vertonungen kirchlicher Liturgie sowie große Oratorien, die sich biblischer Stoffe bedienen.

Madonnen-, Heiligen- und vor allem Christusdarstellungen stellen ein bevorzugtes Sujet in der bildenden Kunst dar.

Der offenkundigen Omnipräsenz biblischer Motive, Figurationen und Muster in Kunst und Kultur steht die Diagnose eines diffundierenden Wissens vom so genannten „Buch der Bücher“ in der säkularisierten Gesellschaft gegenüber.

Nichtsdestotrotz stellt neben der griechisch-römischen Antike die Bibel das wichtigste kulturelle Fundament der abendländischen Kultur dar.

Der Gerechtigkeit halber soll an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass die christliche Tradition ebenso für die Zerstörung von als heidnisch angesehenem Kulturgut verantwortlich ist.

Auch die politische Wirkung der Bibel ist durchaus zwiespältig zu bewerten: Zum einen eignete sie sich hervorragend zur Legitimation bestehender Herrschaftsstrukturen und kolonialer Ansprüche. Andererseits aber motivierte das subversive Potenzial der biblischen Sozialkritik immer wieder emanzipatorische Bewegungen, Rebellionen und Revolutionen.

Christoph Singer, 2006

Verwendete Übersetzung für das Bibel-Hörbuch

Textgrundlage dieses Hörbuches ist die revidierte Übersetzung Martin Luthers nach dem vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss genehmigten Text von 1912. Der Text wurde von Theologen an einigen, wenigen Stellen vorsichtig dem heutigen Sprachgebrauch angepasst.